Ein Versuch, historische Parallelen zu ziehen
Viele unserer Kunden fragen uns: Wie wird es mit PTFE und den Fluorpolymeren wohl weiter gehen? So viele Interessengruppen, Politiker, Medien, Lobbyisten, Unternehmen und Verbraucherschutzgruppen weltweit beschäftigen sich mit dem Thema und versuchen darauf Einfluss zu nehmen. Eine präzise Prognose ist deshalb kaum möglich.
Im Zuge meines Versuchs, mich der Beantwortung dieser Frage zu nähern, bin ich auf erstaunliche Parallelen zwischen PFAS und dem Werkstoff Asbest gestoßen. Einst war dieser allgegenwärtig und hochgepriesen, nun ist er, zumindest in Europa, aus den Anwendungen verschwunden und fast vollständig ersetzt worden. Doch es gibt noch etliche weitere Gemeinsamkeiten, welche ich im Folgenden herausstellen möchte:
Eigenschaften von PFAS und Asbest
PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) und Asbest sind beides Werkstoffgruppen, denen mineralische Ausgangsprodukte zugrunde liegen. Aufgrund ihrer herausragenden Eigenschaften, wie u.a. der hohen thermischen und chemischen Beständigkeit, waren bzw. sind sie in der Industrie weit verbreitet. Während Asbest in der Vergangenheit als „Wunderwerkstoff“ galt, der heute in Europa weitgehend verboten ist, stehen PFAS als sog. „Ewigkeitschemikalien“ aktuell im Fokus der Diskussionen.
Anwendungsgebiete
Asbest fand in der Vergangenheit insbesondere Anwendung in der Bauindustrie. Zum Beispiel in Dach- und Fassadenelementen wie Eternitplatten, feuerfesten Isolierungen wie Spritzasbest zur Isolierung von Stahlkonstruktionen oder Dichtungsmaterialien (In einigen Ländern bestehen immer noch 90% aller Dichtungen aus Asbest!). Sogar als Filtermaterial in der Lebensmittelindustrie und als elektrische Isolatoren war Asbest weit verbreitet.
PFAS hingegen finden sich zunächst als stabile Fluorpolymere in der modernen Industrie in zahllosen Anwendungen (z. Bsp. Dichtungen und Gleitlager). Auch in der Bauindustrie werden Fluorhaltige Kunststofffolien im großen Stil (beispielsweise bei Solarmodulen) verwendet. Ein prominentes Beispiel ist der Einsatz ETFE in der Bedachung der Allianz Arena. Besonders problematisch scheinen die (leicht flüchtigen) Bestandteile in Kosmetika und die Beschichtung von Einweg-Lebensmittel-Verpackungen (Fastfood, Pizza und Getränke).
Gesundheitsgefahren
Die lungengängigen, kürzeren Fasern von Asbest setzen sich in den Atemwegen ab und sind vom körpereigenen Abwehrsystem kaum abbaubar. Dies führt zu schweren Erkrankungen wie Bronchial- und Lungenkrebs sowie Zwerchfell- und Rippenfellgeschwüren. Die Latenzzeit beträgt etwa 20-40 Jahre, was die Beweisbarkeit der Kausalitätsbeziehung zu Gesundheitsschäden erschwert. In Deutschland sterben immer noch jährlich weitaus mehr Menschen an den Folgen von Asbest als an tödlichen Arbeitsunfällen.
Die Gefährlichkeit von Fluortensiden ist seit den 1960ern bekannt. PFAS reichern sich in der globalen Biomasse („Ewigkeitschemikalien“) und in allen Gewebsteilen des Körpers an, was zu Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, Fruchtbarkeitsstörungen und Krebs führen kann. Die Vielzahl an PFAS-Chemikalien macht eine Risikobewertung zwar sehr komplex, aber nach Ansicht der Fachleute sind die Folgen enorm und unübersehbar.
Politik, Verbote und Regularien
Die gesetzlichen Verbote und Regularien für Asbest begannen in den 1960er Jahren mit Dänemark und Schweden als Vorreiter, gefolgt von Kanada. In den USA wurde Asbest 1966 in Texas und 1978 in Kalifornien verboten. Brasilien, China, Kasachstan und Russland sind weiterhin die größten Asbest-Produzenten, obwohl der weltweite Asbest-Verbrauch durch die vielen Verbote immerhin auf etwa ein Drittel seines Spitzenwertes zurückgegangen ist. In Deutschland und der Schweiz strebten die Umweltbehörden erstmals 1981 Asbestverbote an.
Im Bereich der PFAS ist die Politik und Rechtsprechung erst in den letzten Jahrzehnten langsam, aber stetig in Schwung gekommen, wobei sich die Gesetzgebung je nach Land stark unterscheidet. Die frühsten Regularien traten bereits 1990 in Kraft. Durch das damalige Verbot des klimaschädlichen FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoff) und einiger Fluortenside, wurde geschätzt eine mögliche Erderwärmung von 2,5°C verhindert. In den USA, wo bereits mehrere Sammelklagen von Gemeinden, Staaten und der Zentralregierung dafür sorgten, dass Schadensansprüche in Milliardenhöhe reguliert werden mussten, hat die US-Umweltschutzbehörde (EPA) eine rückwirkende Melde- und Aufzeichnungspflicht für PFAS-Verbindungen eingeführt. Zudem wurde 2024 unter der Biden-Harris-Regierung der erste nationale Trinkwasserstandard für PFAS verabschiedet. Für die EU nimmt die Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) seit letztem Jahr alle einschlägigen PFAS-Verbindungen unter die Lupe.
Verbräuche
Die Nachfrage nach Asbest ist nach den Verboten zum Ende des 20. Jahrhunderts zwar zurückgegangen, bleibt aber immer noch hoch. Die Produktion von PFAS ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und erreichte 2023 etwa 300.000 Tonnen, was einen Umsatz von ca. 8 Milliarden Dollar für die Hersteller bedeutete. Diese Zahlen verdeutlichen die wirtschaftliche Bedeutung und die weitreichende Nutzung von PFAS in der Industrie.
Unternehmen und Lobbyisten
Unternehmen, die kritische Werkstoffe wie Asbest und PFAS verwenden, haben in der Regel sehr spezifische Verarbeitungsprozesse und „hängen“ oft an ihren Produkten, da sie keine Alternativen im Portfolio haben. Dies führt zu Umsatzeinbußen und Existenzgefährdungen, weshalb Lobbyarbeit eine große Rolle spielt.
1978 gründete die Asbestlobby eine Art Geheimdienst, um die öffentliche und wissenschaftliche Meinungsbildung zu beeinflussen und politische Entscheidungsgremien zu unterwandern, was den Ausstieg tatsächlich um etwa 10 Jahre verzögerte.
Die Haltung der Unternehmen geht stark auseinander. Zum Beispiel ist die Familie Schmidheiny, aus dem Asbestgeschäft ausgestiegen und auch der 3M-Konzern hat die Notbremse gezogen und entschieden, alle Werke bis Ende 2025 zu schließen – nicht zu verkaufen. Der weitaus größere Teil propagiert jedoch weiterhin – wie beim Asbest – den „Controlled Use“ von PFAS, obwohl der unkontrollierte Umgang mit den Substanzen jahrelang stattfand. Fluorpolymere sind noch in nahezu allen Schlüsseltechnologien vertreten, was weiterhin große Wachstumschancen bietet. Es wird behauptet, dass sämtliche „modernen“ Technologien ohne den Einsatz von Fluorpolymeren nicht mehr funktionieren würden.
Dieses Verhalten sorgt in der Öffentlichkeit zu einem medialen Aufschrei. Den Unternehmen wird oftmals vorgeworfen, die Faktenlage nicht wahrhaben zu wollen und den Profit über die Gesundheit zu stellen.

Gewerkschaften
Gewerkschaften spiel(t)en eine bedeutende Rolle bei der Diskussion um Asbest und PFAS:
Asbest: Das Thema Arbeitssicherheit im Allgemeinen hat sich innerhalb der Gewerkschaften weltweit erst nach und nach gegen die Priorität Arbeitsplatzerhalt durchsetzen können. Hinzu kamen die manipulierten Informationen zur Gefährlichkeit des Materials Asbest. Deshalb waren und ist das Asbestverbot immer noch ein Streitpunkt, bei dem die Arbeitnehmervertreter sich nicht immer einig sind. So sind doch auch oft die Produktionsstätten in abgelegenen, strukturschwachen Gegenden angesiedelt, wo es auf dem Arbeitsmarkt de facto keine Alternativen gibt.
PFAS: Ein ähnliches Beispiel ist das Dyneon-Werk in Gendorf. Dort setzten sich die Mitarbeiter 2022 gegen die Schließung des Werkes ein, obwohl der Landkreis Altötting einer der Regionen in Deutschland ist, wo u.a. die Verseuchung des Grundwassers mit Flourtensiden besorgniserregende Konzentrationen angenommen hat.
Medien
Die Medien haben eine wichtige Rolle bei der Aufklärung über die Gefahren von Asbest und PFAS. Einzelne Personen haben sich stark engagiert, um auf die Umweltproblematik hinzuweisen; oft unter hohem persönlichen Einsatz und in Konflikt mit mächtigen Konzernen. Ein bekanntes Beispiel ist der Anwalt Robert Bilott. Er kämpfte 20 Jahre lang für die Rechte der Bewohner einer Gemeinde in West Virginia, die stark durch Fluortenside belastet war. Seine Geschichte wurde im Film „Vergiftete Wahrheit“ verfilmt.
Investoren und Analysten
Auch Investoren und Analysten haben begonnen, die Risiken von PFAS zu erkennen. Die Gefahr von immensen Schadenersatzforderungen, die auf die Unternehmen zukommen könnten, hat längst zu einem Umdenken geführt. Der Rat lautet: frühzeitig Strategien überdenken und langfristig aus PFAS aussteigen.
Prognosen für PFAS – Technisch
Asbest hat sich mittlerweile – obwohl es über Jahrzehnte als Wundermaterial galt – in vielen Ländern in fast allen Anwendungen ersetzen lassen. Heute redet kein Mensch mehr davon, dass er doch lieber gerne Asbest auf seinem Dach oder in den Bremsbelägen hätte.
Obwohl das Geschrei groß und die Anwendungen bei PFAS und Fluorpolymeren grenzenlos scheinen, scheint dieser Weg langfristig bei PFAS ebenso möglich. So zeigen etliche Hersteller von Funktionskleidung bereits, dass wasserabweisende Textilien auch PFAS-frei herzustellen sind und in der Anwendung keine Nachteile aufweisen.
Bei den Dichtungen und Gleitlagern versuchen wir als bock machining diesen Weg ebenso zu gehen. Zu diesem Zweck haben wir eine eigene Abteilung gegründet, die sich mit der Entwicklung PFAS-freier Werkstoffe beschäftigt.
Prognosen für PFAS – Umwelt
Die Konzentration von PFAS im Wasser zeigt, dass vermeintlicher Fortschritt und wirtschaftliche Interessen oft noch Vorrang vor Umweltthemen haben. Die Kontamination ist weltweit verbreitet, besonders an Produktionsstätten, und stellt eine Aufgabe für Jahrzehnte dar. PFAS sind in ihrer Thematik und Komplexität wesentlich umfangreicher als Asbest. Die Produktion wird vermutlich noch Jahrzehnte fortgesetzt, während Grundwasser, Flüsse, Seen, Meere und landwirtschaftliche Flächen bereits stark belastet sind. Die Auswirkungen auf Pflanzenwachstum und Organismen sind kaum erforscht, jedoch werden die verursachten Schäden die wirtschaftlichen Umsätze mit Sicherheit bei weitem übersteigen.
Prognosen für PFAS – Wirtschaftlich
Der Einsatz von Fluorpolymeren wird voraussichtlich erschwert und verteuert. Der mediale, öffentliche und politische Druck auf Unternehmen, ökologisch sauber zu handeln, könnte deutlich steigen. Weil wir als bock machining bereits Anfang 2022 beschlossen hatten, unser Portfolio langfristig umzustellen, können wir schon jetzt auch erste wirtschaftliche Erfolge verbuchen und werden weiterhin intensiv in die Werkstoffforschung investieren.
Zusammenfassung/ Gemeinsamkeiten von Asbest und PFAS:
- Mineralische Ausgangsprodukte mit herausragenden chemischen und thermischen Eigenschaften.
- Sehr ähnliche Anwendungsgebiete.
- Wichtige Wegbereiter der industriellen und technologischen Revolutionen, jedoch auf Kosten von Mensch und Umwelt.
- Weiterverwendung trotz erwiesener, schwerwiegender gesundheitlicher Gefahren durch unauffällige, schleichende Ablagerung in Organismen mit zusätzlich hoher Latenzzeit; wobei eher die Produktion und Entsorgung schädlich ist, weniger der bestimmungsgemäße Gebrauch.
- Politische Regelungen und Gesetze kommen langsam, aber stetig in Gang.
- Unglaublich starke Lobbyarbeit erschwert die Begrenzung der Anwendungen von Asbest und PFAS erheblich, was die Abschaffung zu einem jahrzehntelangen Prozess macht. Kurzfristiger Profit geht über Gesundheit.
- Arbeitsplatzerhalt geht vor Arbeitssicherheit.
- Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung, aber noch nicht genug.
- Öffentlichkeitsarbeit ist dringend nötig, damit die menschliche Einsicht in Fakten und Zusammenhänge wächst und um der auf kurzfristigen Kommerz fixierten Lobbyarbeit entgegenzuwirken.
- Wissenschaftliches Engagement und Unternehmerischer Einsatz sind gefragt, um Substitution umzusetzen. Denn die wirtschaftliche Macht liegt bei den Konzernen, die durch Entwicklungs- und Marketingressourcen ihre Geschäftszwecke radikal ändern können.
Persönliche Meinung
Meine Prognose für PFAS ist, dass zuerst Einschränkungen bei kurzkettigen, leicht flüchtigen Fluor-Verbindungen in nah am Menschen platzierten Anwendungen wie Lebensmittelverpackungen und Kosmetika erfolgen werden. Alle anderen Gruppen werden folgen, aber ein Verbot der Fluorpolymere wird noch dauern, trotz vorbereitendem dokumentarischem Aufwand. Die Anwendungsbreite ist zu groß, die Lobbyarbeit stark und die Wichtigkeit für Zukunftstechnologien hoch.
Wir werden erkennen müssen, dass die Krankheiten innerhalb unserer Gesellschaft und deren Kosten ständig zunehmen. Für immer mehr der Gebrechen gibt es keine plausiblen Ursachen. Der zunehmende Einfluss von Chemikalien in der Umwelt und der Nahrung ist aber unbestritten.
Die Ursache liegt in unserer bisherigen Lebensweise. Unternehmer und deren Interessenvertreter tragen eine hohe Verantwortung, eine lebenswerte Welt für die nächste Generation zu hinterlassen. Eine neue Definition von Fortschritt ist nötig, und dies kann nur durch radikales Umdenken und Veränderung erreicht werden.
Ihr Stefan Bock

Literaturquelle: Roselli, Maria: Die Asbestlüge. 1. Auflage. Rotpunktverlag. 2007
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